- Vico
- Vico[v-], Giovanni Battista (Giambattista), italienischer Geschichts- und Rechtsphilosoph, * Neapel 23. 6. 1668, ✝ ebenda 23. 1. 1744; wurde 1697 Professor für Rhetorik in Neapel, 1735 von König Karl VII. (dem späteren Karl III. von Spanien) zum Hofhistoriographen in Neapel ernannt. Vico gilt als Begründer der Völkerpsychologie und der neuzeitlichen spekulativen Geschichtsphilosophie. Seine Lehrtätigkeit nutzte er zur prinzipiellen Auseinandersetzung mit dem Problem der Methode in den einzelnen Wissenschaftszweigen. Vico wandte sich gegen den an Mathematik und Physik orientierten naturalistischen Rationalismus R. Descartes'. Das »Wahrscheinliche« (verisimile), das Objekt und Methode von Politik, (Rechts-)Geschichte, Kunst, Rhetorik und Topik bestimme, würde dadurch nach Vico nicht nur aus dem Bereich des strengen Wissens ausgeschieden; es wird auch trotz seines ihm immanenten Wahren nicht mehr Gegenstand der Bildung des Menschen. Diese umfasst, wie Vico in »De nostri temporis studiorum ratione« (1709; deutsch »Vom Wesen und Weg der geistigen Bildung«) begründet, sowohl Fähigkeiten des allgemein gültigen Argumentierens als auch Kenntnisse der Erfahrungswahrheiten, die wiederum der Lebenspraxis dienen sollen. In »De antiquissima Italorum sapientia. ..« (3 Teile, 1710) formulierte Vico die Selbstentdeckung des Menschen in dem erkenntnistheoretischen Grundsatz »verum idem factum«: Der Mensch vermag nur das zu erkennen, was er selbst hervorgebracht hat; das ist die geschichtliche Welt. Universale Erkenntnis der Natur ist dagegen nur Gott als deren Schöpfer möglich. Bei der philosophischen Auseinandersetzung mit der Rechtsgeschichte in »De universi iuris uno principio et fine uno« (1720; deutsch »Von dem einen Ursprung und Ziel allen Rechtes«) fand Vico das Modell für die menschliche Geistesgeschichte insgesamt. Die »Entdeckung der wesentlichen Geschichtlichkeit des Rechts« (R. Wisser) lehre, dass die Geschichte über die »besonderen Zwecke« hinweg dialektisch und rhythmisch verlaufe. Dadurch gelange sowohl das Individuelle als auch die »ewige, ideale Geschichte« zur Erfahrung. Für Vico wird damit die Kultur (»mondo civile«) ihrem ganzen Umfang nach Gegenstand einer »neuen Wissenschaft« (so in seinem Hauptwerk »Principi di una scienza nuova d'intorno alla comune natura delle nazioni«, 1725; deutsch »Grundzüge einer neuen Wissenschaft über die gemeinschaftliche Natur der Völker«). In allen Bereichen der Kultur sieht er das geschichtsphilosophische Modell der gesetzmäßigen Wiederkehr je eines theokratischen, heroischen und menschlichen Zeitalters in einem Zyklus von Aufstieg, Blüte, Verfall und von ständiger Wiederkehr (corso e ricorso) wirksam. Als Initiator der »Schule menschlicher Wissenschaft« (J. G. Herder) zu seinen Lebzeiten verkannt, wurde Vico später als erster Wissenssoziologe (W. Sombart), Begründer der Geschichtsphilosophie (B. Croce), Systematiker der Geisteswissenschaften (E. Rothacker), Wegbereiter des Historismus und der Sprachphilosophie gewürdigt.Ausgaben: Opere, 8 Bände (1911-41); Opere filosofiche, herausgegeben von P. Cristofolini (1971).B. Croce: Die Philosophie G. V.s (1927);R. Wisser: Leibniz u. V. (Diss. 1954);K. Löwith: V.s Grundsatz Verum et factum convertuntur (1968);F. Fellmann: Das V.-Axiom, der Mensch macht die Gesch. (1976);Richard W. Schmidt: Die Geschichtsphilosophie G. B. V.s (1982);S. Otto: Giambattista V. Grundzüge seiner Philosophie (1989);P. Burke: V. Philosoph, Historiker, Denker einer neuen Wiss. (a. d. Engl., Neuausg. 1990);
Universal-Lexikon. 2012.